In der Gruppenausstellung
Re- Inszenierung zeigt die Galerie Filser & Gräf vier Positionen der in München wirkenden Künstler*innen: Judith Grassl, Lukas Hoffmann, Christian Probst und Jan Rybnicek. Zu sehen sind Malerei, Arbeiten auf Papier sowie Objekte und Rauminstallationen.
Die Lesart des Konzeptes sowie die Arbeiten der Künstler*innen beziehen sich auf den Übergangsraum, einer Ebene zwischen Illusion, Traum, Unterbewusstsein und der vermeintlichen Realität. Die Kunst als Tummelplatz der menschlichen Vorstellungskraft und Kreativität kann diesen Übergangsraum, diese nicht determinierte Ebene bilden.
Nicht die Sublimierung im Freudschen Sinne, sondern das Prinzip der Erschaffung der alternativen Welten mittels Kunst zwischen Realität und Fiktion steht im Mittelpunkt dieser Ausstellung und wird als einer der Interpretationsansätze dem Betrachter eingeräumt.
Der Titel der Ausstellung »Re-Inszenierung« weist einerseits auf diese Synthese der Neuinterpretation und Neuerschaffung unterschiedlicher Fiktionen und visueller Realitäten hin. Andererseits thematisiert es den Übergangszustand in einer (post) pandemischen Zeit, welche ebenfalls in einer Zwischenebene stattzufinden scheint.
Die Rolle der Kunst als Katalysator wesentlicher Denkprozesse und des gesellschaftlichen Wandels ist auch in diesem Übergangszustand nicht unerheblich. Durch ihre nicht Prognostizierbarkeit hilft sie uns doch, die vielen denkbaren und nicht denkbaren Szenarien als möglich zu betrachten.
In
Judith Grassls Bildern verwandeln sich menschenleere Landschaften und Räume zu Bühnen, auf denen sich verschiedene Bildfragmente begegnen – ähnlich wie zurückgebliebene Requisiten an einem verlassenen Filmset. Dabei verfährt sie in der Malerei nach dem Prinzip der Collage. Sie übermalt, klebt, lässt neue Elemente aus alten entstehen, wodurch im Bild mehrere Ebenen erzeugt werden, die sich gegenseitig brechen und sich wieder zusammenfügen. Dazu verwendet sie eine persönliche Sammlung von Fotos, Zeitungsausschnitten und verschiedenen Bildern. Das Prinzip der Collage ermöglicht es ihr, in ihren Bildern eine Vielzahl von Dimensionen zu erstellen, verschiedene Perspektiven zu parallelisieren und eine neue Verbindung zwischen den Ebenen herzustellen. Auf diese Weise definiert sie eine neue Realität, die der Verbindung von losen Erinnerungsfetzen in unserem Gedächtnis gleicht, da sie schwer greifbar und dennoch vertraut scheint.
Auch in den Rauminstallationen von
Lukas Hoffmann verwischen sich Grenzen zwischen der Fiktion als Bühne und dem realen Betrachter als möglichen Teilnehmer des zu betrachtenden Szenarios. Die Betrachtenden sind aktiver Teil der theaterähnlichen Situation. In Gedanken liefern sie das Bühnenstück zu dem Bühnenbild bzw. die Szene zu dem Szenenbild.
In der Herstellung seiner Arbeiten versucht Lukas Hoffmann einer eigendynamischen Entwicklung Raum zu geben, die aus sich heraus ein schlüssiges Ergebnis produziert. Die Herstellung vollzieht sich dabei nicht in heftiger Spontaneität. Ein Schritt führt zum nächsten. Jeder Schritt setzt den weiteren Entscheidungen Bedingungen. Eine fertige Arbeit kann wiederum zum Baustein einer anderen werden. Die einzelnen Arbeiten finden zusammen und beeinflussen einander. Durch ihr Zusammenspiel und durch die Art und Weise ihrer Setzung im Raum bekommen sie erzählerischen Charakter. Sie wirken wie die Momentaufnahme aus einem Szenario. Eine Art Setting, das beim Betrachten Gedanken an potenzielle Handlungen anstößt. Das Material, die Gestaltung und die Setzung der Dinge geben den potenziellen Handlungen eine Färbung und eine Richtung.
Jan Rybnicek figurativer Malerei vereint die Aspekte der Mystik, Zweideutigkeit und des Symbolismus. Rybnicek erschafft fiktive Mischwesen in unbestimmten Bildräumen, Traumgestalten ohne Kulissen, die unsere Vorstellung von den gewohnten Größenverhältnissen und Maßstäben auf den Kopf stellen. Obwohl der Künstler keine bestimmten oder narrativen Räume auf seinen Gemälden zeigt, werden diese durch die dargestellten monumentalen Figuren formuliert. Farbige Felsen aus roten, blauen, gelben und grünen bebenden Körpern muten wie mythologische Giganten an, die im Dickicht der Gegenwart ihren Platz suchen. Sie verflechten und ranken sich umeinander, ragen aus dem Boden, schlagen Wurzeln in die Leinwand. Ihre schemenhaften Gesichter mit grafischen, sehr lebendigen Augen suchen stets Kontakt zum Betrachter mit fragenden Blicken aus einer anderen Welt.
Christian Probst untersucht in seinen Arbeiten die Grenzen zwischen Anziehung und Ablehnung und erschafft ebenfalls einen Zustand, der nicht mit gängigen Parametern zu beschreiben ist. Um die für uns vertrauteste Form, nämlich die des menschlichen Körpers auf diese Weise künstlerisch zu interpretieren, geht er einen ungewöhnlichen Weg. Der Körper wird als Skulptur oder als Objekt mit anthropomorphen Ausgangsformen in Malerei paraphrasiert, manipuliert, wie der Künstler selbst sagt, verrenkt, dekonstruiert und zu einer nie da gewesenen Form zwischen Vertrautheit und Verfremdung abgebildet. Interessanterweise greift der Künstler nie auf den menschlichen Körper oder auf die Fotografie als Vorlagen zurück, sondern auf die Skulptur, deren dreidimensionalen, statischen Charakter er in der Malerei für eine zweidimensionale Darstellung nutzt, indem er mehrere Ebenen und Perspektiven auf eine Wahrnehmungsfläche addiert.
Trotzdem ist der skulpturale Charakter der Bildobjekte in den Kompositionen von Probst deutlich erkennbar. Dazu tragen sowohl die Darstellung der Oberflächenstruktur und die Materialität als auch der Bildhintergrund, die Position und die Inszenierung des dargestellten Objektkörpers maßgeblich bei.
Text:
Tinatin Ghughunishvili-Brück
Judith Grassl
Lukas Hoffmann