Kapurani Brüder – Cinema Paradiso

Kapurani Brüder – Cinema Paradiso - Kapurani Brothers

Cinema Paradiso

Eine Ausstellung der Kapurani-Brüder
Ein Begleitessay von Tinatin Ghughunishvili-Brück
München, Oktober 2025

Als Anfang der 1990er Jahre nicht nur die Sowjetunion, sondern mit ihr die gesamte Infrastruktur zusammenbrach, traf das selbstverständlich auch all jene Länder, die mit Gewalt an dieses pseudo-sozialistische System angeschlossen worden waren – so auch mein Heimatland Georgien. Strom gab es oft nur für wenige Stunden am Tag – das war keine Ausnahme, sondern Alltag. Jede Form von Unterhaltung, die Elektrizität erforderte, wurde zum Luxus und entsprechend zelebriert.

Wenn der Strom kam, liefen auf dem kleinen Fernseher in der Küche meiner Eltern schlecht synchronisierte Filme mit Jean-Paul Belmondo, Romy Schneider oder Alain Delon. Mit den stillen, poetischen Bildern von Éric Rohmer lernte ich zu tagträumen. Ich lachte über Marcello Mastroiannis Grimassen und war hingerissen von Sophia Loren. So entdeckte ich – ohne es damals zu wissen – die großen Schätze der französischen Nouvelle Vague, des italienischen Neorealismo und eines Kinos, das frei war von Hollywoods Pathos und Propaganda.

Warum die sowjetischen Funktionäre in diesen europäischen Filmen keine Gefahr für die „Genossinnen und Genossen“ sahen, während sie amerikanisches Kino rigoros aus Kinosälen und von den Fernsehbildschirmen verbannten, lässt sich wohl nur mit dem ideologischen Graben des Kalten Kriegs erklären. Doch genau diesem Konflikt verdanken viele meiner Generation ihre cineastische Prägung – ihren Geschmack, ihre Empfindsamkeit für das, was Film als Kunst bedeuten kann.

So weinte ich schon mit zwölf oder dreizehn Jahren um Laetitia in „Les Aventuriers“ von Robert Enrico und verliebte mich immer wieder neu in die traurige Liebesgeschichte von Catherine Deneuve in „Die Regenschirme“ von Cherbourg von Jacques Demy. Und während draußen Dunkelheit und Unsicherheit herrschten, ließ uns das Kino vergessen, wo wir waren.

Als ich vor sieben Jahren Denis und Marjano Kapurani kennenlernte und wir begannen, uns über Kunst auszutauschen, wurde rasch deutlich, dass uns eine tiefe gemeinsame Wertschätzung für das Medium Film verband – insbesondere für jene filmischen Bilder, die in ihrer Eindringlichkeit weit über das bewegte Bild hinausreichen und in der Malerei eine starke Entsprechung finden. Es sind oft gerade die ruhigen, nahezu unbewegten Szenen, die sich einprägen: Momente der Stille, die wie von selbst zu Stills werden – zu Bildern, die wir nicht als Teil einer Handlung, sondern als eigenständige visuelle Aussagen begreifen. In ihnen verdichtet sich eine Atmosphäre, eine Haltung, ein Blick auf die Welt, der der Malerei sehr nahekommt.

Der Einfluss der Malerei auf das Kino ist unübersehbar – etwa in der Bildkomposition, im Umgang mit Licht und Farbe, in der Inszenierung von Raum. Ebenso deutlich wirkt der Film auf die zeitgenössische Malerei zurück: nicht nur formal, sondern auch im Denken in Schnitten, Sequenzen und Perspektivwechseln.

Aus unseren Gesprächen entwickelte sich rasch ein gemeinsames Nachdenken über das Verhältnis von Malerei und Film – nicht auf theoretischer Ebene, sondern aus der geteilten Erfahrung heraus, wie stark ein einziges Bild nachwirken kann. 

Die Kapurani-Brüder greifen nicht einfach Filmszenen auf, sie übersetzen sie in eine Bildsprache, die weit über das Zitat hinausgeht. Ihre Malerei interessiert sich nicht für Handlung, sondern für Atmosphäre. Und genau darin beginnt ihre Nähe zur Kunstgeschichte, die sich mit ähnlichen Fragen beschäftigt: Was bleibt, wenn die Bewegung endet? Was sagt ein Blick, wenn die Worte fehlen?

In ihrer Konzentration auf das Einzelbild öffnen die Kapurani-Brüder einen vielschichtigen Dialog mit der Kunstgeschichte. Ihre Arbeiten zeigen Verwandtschaften zum Symbolismus, etwa in der psychologischen Aufladung vermeintlich stiller Szenen. Auch die malerische Strenge und die klare, oft reduzierte Komposition erinnern an die Malerei der Zwischenkriegszeit, wie sie etwa Edward Hopper oder Giorgio Morandi repräsentieren – Künstler, die mit sparsamen Mitteln eine intensive Stimmung von Einsamkeit, Melancholie und innerer Spannung schaffen. Gleichzeitig sind die Werke tief verankert in der Sprache der zeitgenössischen figurativen Malerei: Sie denken in Fragmenten, in Leerstellen und in Spannungsverhältnissen.

Zentral bleibt für diesen Werkzyklus dennoch der Einfluss des Films – nicht nur als Quelle für einzelne Motive, sondern als strukturelles Prinzip. Die Bilder verhalten sich wie Standbilder aus einer größeren, nicht vollständig sichtbaren Erzählung. Ihre Komposition folgt der Logik des Schnitts, oft auch der des Off-Bildes – das, was nicht gezeigt wird, bleibt wirksam. Auch das filmische Prinzip der offenen Dramaturgie spiegelt sich in der Malweise: Es gibt keine klaren Wendepunkte, keine auflösbaren Spannungen, sondern Situationen, in denen etwas zurückgehalten wird.

So erinnern die Gemälde nicht nur an konkrete filmische Szenen – etwa an die kontemplative Haltung Rubljows bei Tarkowski, die intime Unsicherheit eines Kusses bei Lelouch oder die fragile Selbstpräsenz einer Figur bei Wenders – sondern vielmehr an ein filmisches Denken selbst: an das Vertrauen in das Bild, in seine Fähigkeit, Stimmung zu erzeugen, ohne erklären zu müssen.

Biografie: 

Beide schlossen ihr Studium an der Athener Akademie der Bildenden Künste (ASFA) ab – Marjano Kapurani 2011, Denis Kapurani 2014.r
Sie erhielten große Aufmerksamkeit durch Einzelausstellungen wie „A Comet to Bury Lovers“ im ehemaligen Archäologischen Museum Thessaloniki, „The Stendhal Syndrome“ in der Jugendkirche in München, kuratiert von Tinatin Ghughunishvili-Brück, sowie in der Ausstellung „Illuminated Skeletons and Peacocks“ in der Annarumma Gallery in Neapel, kuratiert von Stavros Kavalaris. Wichtige Meilensteine auf ihrem künstlerischen Weg waren die Teilnahme an der parallelen Documenta 14 in Athen und die Ausstellung „Villa Salvatore“, kuratiert von Marina Athanasiadou in der Zina Athanasiadou Gallery in Thessaloniki. Derzeit sind die Kapurani-Brüder Teil der Gruppenausstellung „Bestiary“ in der Crux Gallery in Athen.

Ihre Werke befinden sich unter anderem in Sammlungen in Italien, Deutschland, Großbritannien, den USA, Singapur, Griechenland, Katar, Norwegen und Frankreich.

Marjano (geb. 1984) und Denis (geb. 1990) Kapurani sind bildende Künstler. Sie leben und arbeiten als Künstlerduo in Larisa, Griechenland.

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